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Am 9. Juni gibt es zwei Initiativen, die unser Gesundheitssystem verändern könnten. Wie kann man dafür stimmen, dass das Gesundheitswesen nicht länger eine Last ist?

Ja zu einer besseren Verteilung der Last der Krankenkassenprämien

 

Die erste Initiative, die sogenannte "Prämienverbilligungsinitiative", verlangt, dass die Krankenversicherungsprämien subventioniert werden, damit sie 10% des verfügbaren Einkommens eines Haushalts nicht übersteigen.

Diese Maßnahme ist für die Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit und Zugänglichkeit des schweizerischen Gesundheitssystems von entscheidender Bedeutung. Das aktuelle System belastet Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen unverhältnismäßig stark, da es für sie immer schwieriger wird, die Krankenversicherungsprämien zu bezahlen. Durch die Begrenzung dieser Prämien auf 10% des Einkommens will die Initiative sicherstellen, dass jeder Bürger Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung hat, ohne seine finanzielle Situation zu gefährden, und so die soziale Ungerechtigkeit im Gesundheitswesen verringern.

"Zwischen 15 und 25% der Menschen in der Schweiz haben schon einmal aus finanziellen Gründen auf eine notwendige medizinische Versorgung verzichtet."

Es ist in der Tat alarmierend, dass je nach Studie zwischen 15 und 25% der Menschen in der Schweiz bereits aus finanziellen Gründen auf eine notwendige medizinische Versorgung verzichtet haben, und viele von ihnen wählen ein Krankenversicherungsmodell, das nicht ihren gesundheitlichen Bedürfnissen entspricht, mit der Logik, so wenig wie möglich zu bezahlen. Dieser Trend wird sich wahrscheinlich noch verschärfen, wenn keine konkreten Maßnahmen ergriffen werden, um die Gesundheitsversorgung erschwinglicher zu machen.

Die Initiative kann direkt dazu beitragen, eine solche Verschlechterung zu verhindern, indem sie Krankenversicherungen zugänglicher macht und verhindert, dass sich die Bürger zwischen Gesundheit und wirtschaftlicher Stabilität entscheiden müssen. Sie ist daher ein wesentlicher erster Schritt hin zu einem gerechteren Gesundheitssystem.

Die Ungerechtigkeit ist umso größer, als es bei den Subventionen für Krankenkassenprämien große interkantonale Unterschiede gibt, obwohl die Bedürfnisse für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen ähnlich sind. Eine Harmonisierung dieser Subventionen auf Bundesebene würde sicherstellen, dass alle Menschen in der Schweiz die gleiche bedarfsgerechte Unterstützung erhalten.

Die Annahme dieser SP-Initiative wäre ein wichtiger Schritt, um die Haushalte der Mittelschicht zu entlasten. Und würde ein klares Zeichen an das Parlament setzen, das demnächst über die Motion entscheiden muss, die die Grünen im Juni 2023 eingereicht haben: eine Prämienhöhe, die sich nach dem Einkommen und dem Vermögen der Haushalte richtet.

"Unterstützen Sie eine gerechte Verteilung der Prämien für ein Gesundheitssystem, das für alle zugänglich ist. JA zur Prämienverbilligungsinitiative".

 

Nein zu einer Zwei-Klassen-Medizin

Die zweite Initiative "Für tiefere Prämien. Kostenbremse im Gesundheitswesen" wurde von Le Centre eingereicht.

Hinter diesem verlockenden Titel verbirgt sich eine gefährliche Initiative, die den Weg zu einer Zweiklassenmedizin ebnet. Die Annahme der Initiative würde dazu führen, dass die Grundversicherung bestimmte Leistungen ausschließt, um die Kosten unter Kontrolle zu halten, und die nicht gedeckten Behandlungen den Patienten oder teureren Zusatzversicherungen überlässt. Dies hätte zur Folge, dass sich nur die wohlhabendsten Patienten eine bessere oder schnellere Behandlung leisten könnten.

"Wenn die Initiative für eine Kostenbremse angenommen wird, könnte der Bund ab 2027 1,2 Milliarden einsparen, auf Kosten von 12.000 Stellen, die abgebaut werden."

Darüber hinaus würde diese Initiative zu einem unerträglichen Druck auf das Pflegepersonal führen. Eine Kostendeckelung ohne Steigerung der Effizienz oder der Ressourcen könnte Burnout und den Mangel an qualifiziertem Personal verschärfen und damit die Qualität der erbrachten Pflegeleistungen gefährden. Die Westschweizer Ärztegesellschaften haben die Auswirkungen der Initiative berechnet. Sollte das Volk den Text annehmen, müsste der Bund ab 2027 1,2 Milliarden einsparen, was dem Abbau von 12'000 Stellen im Pflegebereich entspricht, und dies in einer Zeit, in der der Bedarf aufgrund der Alterung der Bevölkerung und der Zunahme der Prävalenz chronischer Krankheiten steigt.

Ebenso würde, wenn diese Initiative im Jahr 2000 umgesetzt worden wäre, ein Drittel der heutigen Leistungen nicht mehr erstattet werden, was die Qualität des Gesundheitssystems erheblich gefährden würde und sich zweifellos negativ auf die Lebenserwartung der Bevölkerung auswirken würde.

Das Absurdeste an dieser Initiative bleibt die Tatsache, dass die Gesundheitskosten mit der Entwicklung der Wirtschaft und der Löhne verknüpft werden. In der Tat haben die letzten Jahre die starken Schwankungen der Weltwirtschaft und ihre Auswirkungen auf die stark von der internationalen Konjunktur abhängige Schweizer Wirtschaft deutlich gemacht. Die Gesundheitsbedürfnisse hängen jedoch nicht von den Schwankungen der Schweizer Wirtschaft ab! Was passiert in Jahren, in denen es der Wirtschaft weniger gut geht? Wird man dann auf die Gesundheitsversorgung verzichten oder die Kosten für notwendige Behandlungen nicht mehr übernehmen müssen?

Schlimmer noch: Es ist gut dokumentiert, dass der Bedarf an Gesundheitsleistungen in Zeiten der Wirtschaftskrise tendenziell steigt, da Gesundheit stark mit sozialer und materieller Unsicherheit verbunden ist. Mit dieser Initiative würde die Regierung also gezwungen sein, Maßnahmen zur Kostenkontrolle zu ergreifen, wenn der Bedarf am größten ist. Darüber hinaus ist es unmöglich, Phänomene wie die COVID-19-Pandemie vorherzusagen, die einen sehr hohen Gesundheitsbedarf verursachen würden, der durch die Rigidität einer solchen Initiative nicht gedeckt werden könnte.

 

Nach dem 9. Juni: Das System auf Gesundheit statt auf Krankheit ausrichten

Die Debatte über die Finanzierung des Gesundheitswesens ist von entscheidender Bedeutung, darf aber nicht die Notwendigkeit verdecken, unser Gesundheitssystem aus einer umfassenderen Perspektive zu überdenken. Es ist von entscheidender Bedeutung, von einem System, das hauptsächlich auf die Behandlung von Krankheiten ausgerichtet ist, zu einem wirklich gesundheitsorientierten System überzugehen. Dies bedeutet eine stärkere Fokussierung auf Prävention und Gesundheitsförderung. Anstatt die Ressourcen ausschließlich auf die Heilung zu konzentrieren, sollte ein reformiertes Gesundheitssystem die Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung priorisieren.

Dies könnte durch höhere Investitionen in Präventionsprogramme wie Gesundheitserziehung im frühen Kindesalter, Bekämpfung jeglicher Form von Umweltverschmutzung, Abbau von Ungleichheiten, Förderung von körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung geschehen. Diese Maßnahmen würden durch die Verringerung der Inzidenz chronischer Krankheiten und anderer vermeidbarer Leiden die Nachfrage nach akuten und spezialisierten Pflegediensten senken und gleichzeitig die allgemeine Lebensqualität der Bevölkerung verbessern.

Parallel dazu ist es zwingend erforderlich, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit als grundlegende Säulen des Gesundheitssystems zu betrachten. Die mit der Gesundheitsversorgung verbundenen finanziellen Kosten sind wohlbekannt, die sozialen und ökologischen Auswirkungen jedoch weniger. So erzeugt die Gesundheitsindustrie beispielsweise eine erhebliche Menge an Abfall und verbraucht große Mengen an Energieressourcen. Einen nachhaltigeren Ansatz zu verfolgen, könnte bedeuten, medizinische Abfälle zu reduzieren, Behandlungen zu optimieren, um umweltfreundlichere und langlebigere Produkte zu bevorzugen, und ökologische Kriterien in die Ausschreibungen des Gesundheitssektors einzubeziehen.

Aus sozialer Sicht sollte ein gerechtes Gesundheitssystem sicherstellen, dass jeder Mensch, unabhängig von seinem sozioökonomischen Status, Zugang zu derselben hochwertigen Versorgung hat. Dies erfordert politische Maßnahmen, die über einfache Anpassungen der Versicherungsprämien hinausgehen und strukturelle Ungleichheiten angehen, die den Zugang zur Gesundheitsversorgung beeinträchtigen.

Letztendlich wird ein Gesundheitssystem, das um diese Schwerpunkte herum neu konzipiert wird, nicht nur gerechter und nachhaltiger, sondern auch effektiver sein, indem es den Druck auf die Gesundheitsdienste mindert und die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung verbessert.

Ein von Lobbys durchsetztes Parlament

Wir brauchen ein starkes Gesundheitssystem, um die demografischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts zu bewältigen. Leider ist jede Reform des Gesundheitssystems im Parlament fast unmöglich durchzusetzen, da die Lobbyisten mit aktiver Komplizenschaft der zahlreichen Parlamentarier, die Interessenbindungen zu den Akteuren des Gesundheitswesens haben, einen Status quo aufrechterhalten, der weder den Bürgerinnen und Bürgern, noch den Patientinnen und Patienten oder den Beschäftigten im Gesundheitswesen nützt.

Folglich muss der Souverän, das Volk, weiterhin die politische Agenda in Gesundheitsfragen diktieren, wie es in den letzten Jahren mit den Initiativen für eine starke Krankenpflege, dem Verbot der Tabakwerbung bei Minderjährigen, den verschiedenen COVID-Gesetzen, der Integration der Komplementärmedizin oder der Förderung der Grundversorgung gelungen ist.

Am 9. Juni haben die Bürgerinnen und Bürger erneut die Gelegenheit, die Politik zu einem gerechteren und nachhaltigeren Gesundheitssystem zu führen, indem sie die Initiative für Prämienverbilligung unterstützen und die Initiative für eine Kostenbremse im Gesundheitswesen ablehnen.

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